Erkenntnisse aus dem digitalen Aufsichtsbriefing der BaFin und der Bundesbank aus dem Mai 2024
Am 14. Mai haben die BaFin und Bundesbank zu einem gemeinsamen digitalen Aufsichtsbriefing „ESG im Fokus“ eingeladen. Dabei wurden die Fokusthemen der Aufsicht in den Jahren 2024-2026 von den Kollegen Stefan Nießner (Deutsche Bundesbank), Thomas Dietz (Deutsche Bundesbank) und Christian Elbers (BaFin) vorgestellt sowie vorab eingereichte Fragen aus dem Publikum beantwortet. Dabei wurden die folgenden Kernbotschaften vermittelt.
Kernbotschaften
Im Zusammenhang mit dem Neutralitätsgedanken ist zu betonen, dass von der Aufsicht nicht das Ziel verfolgt wird, „grüne“ Investitionen zu fördern oder „braune“ Investitionen zu bestrafen. Allerdings gibt die CRR III der Aufsicht das Mandat, sich tiefer mit grünen und braunen Investitionen zu beschäftigen und zu bewerten, ob solche Investitionen Auswirkungen auf die Eigenmittel haben können (Art. 501c CRR III).
Veröffentlichungen im Jahr 2024
Wir bei ADWEKO haben uns im vergangenen Jahr bereits stärker mit dem Thema ESG auseinandergesetzt und zum Fokusthema Offenlegung sowie der zugehörigen Datenerhebung diverse Beiträge veröffentlicht.
- ESG im Finanzsektor: Nachhaltigkeit im Rahmen der Offenlegung (https://www.adweko.com/project/esg-im-finanzsektor-nachhaltigkeit-im-rahmen-der-offenlegung/)
- ESG-Datenanforderungen und IT-Architektur (https://www.adweko.com/project/whitepaper-esg-datenanforderungen-und-datenlandkarte-bei-adweko/)
- ESG-Ausblick: Eine soziale Taxonomie (https://www.adweko.com/project/soziale-taxonomie-vierter-artikel-der-esg-themenserie/)
Die Veröffentlichungen der Aufsicht gehen weit über die Offenlegung hinaus und sind neben den nachhaltigkeitsbezogenen Verordnungen auszugsweise in der folgenden Grafik dargestellt:
Ausblick der Jahre 2024 bis 2026
In den vergangenen Jahren wurden die ESG-Prüfungen seitens der Aufsicht von 2022 beginnend als Regelbestandteil der MaRisk-Prüfungen sukzessive ausgeweitet. Waren zunächst vor allen Dingen Strategie und Risikoinventur Bestandteil, kamen bereits 2023 die Bereiche Risikomessung und Kreditgeschäft hinzu.
Ab dem aktuellen Jahr startend soll geprüft werden, ob ESG-/ Klimarisiken stärker mit in den SREP aufgenommen werden. Dazu finden aktuell bereits Gespräche und Diskussionen statt. Weitere aufsichtsrechtliche Schritte sind darüber hinaus auf Basis der in 2022/2023 gewonnenen Erkenntnisse in Zukunft möglich. Darüber hinaus werden ESG-Fokusprüfungen im Kreditgeschäft in den Vordergrund gerückt werden. Die Aufsicht betont und empfiehlt zudem eine intensivere Auseinandersetzung mit Reputationsrisiken durch ESG-Faktoren, da diese als einflussreich bewertet werden und in den Augen der Aufsicht bisher insgesamt zu wenig Beachtung bei den Instituten gefunden haben.
ESG innerhalb der neuen MaRisk-Novelle
Eine wichtige Rolle innerhalb des Kurzvortrags nahmen die ESG-Risiken innerhalb der MaRisk-Novelle ein. Sie sind dort in mehreren Abschnitten berücksichtigt, von denen die folgenden herausgestellt wurden.
- AT 4.2 Strategien (Geschäftsumfeldanalyse, Transitorische & Physische Risiken)
- AT 2.2 Risikoinventur (Risikostrategie -> Operative Risikoprozesse)
- AT 4.3.2, 4.1, BTR Risikosteuerungs- und -controllingprozesse (Mess- und Steuerungsinstrumente, ESG-Scores, …)
- AT 4.3.3 Stresstest (Transitorische & Physische Risiken, längerer Betrachtungszeitraum)
- AT 4.1 Risikotragfähigkeit (ICAAP)
- BTO 1.2 , 1.3 Kreditgeschäft (Auswirkung auf Werthaltigkeit Sicherheiten, Bonität Kreditnehmer)
- BT 3.2 Risikoberichterstattung (Risikocontrollingfunktion im Vordergrund)
Im Rahmen des Aufsichtsbriefings wurden dabei einigen Punkten besondere Aufmerksamkeit gewidmet.
Risikoinventur
ESG-Risiken sind für die Aufsicht keine eigene Risikoart, sondern ein Risikotreiber, der auf die klassischen Risikoarten wie Adressenausfallrisiken, Marktpreisrisiken, Liquiditätsrisiken sowie operationelle Risiken einwirkt und deren Auswirkungen auf die Materialität bewertet werden müssen.
AT 2.2 Absatz 1
(…) Zur Beurteilung der Wesentlichkeit hat sich die Geschäftsleitung regelmäßig und anlassbezogen im Rahmen einer Risikoinventur einen Überblick über die Risiken des Instituts zu verschaffen, wobei die Auswirkungen von ESG-Risiken angemessen und explizit einzubeziehen sind (Gesamtrisikoprofil). (…)
ESG-Risiken sind dabei über einen längeren als den regulären Risikobetrachtungszeitraum zu betrachten, da diese sich über einen sehr langen Zeitraum materialisieren können. Dabei sollen ESG-Risiken wissenschaftlich basiert analysiert werden. Die Institute können dazu auf Ergebnisse von Forschungsinstituten zurückgreifen und die Erkenntnisse daraus in ihr eigenes Institut integrieren.
Proportionalität
Wie in allen anderen Themen auch gilt für kleinere Institute der Proportionalitätsgedanke. So gibt es unter anderem eine Methodenfreiheit für die Risikoidentifikation und das -management. Dabei können sich Institute Gedanken machen, wo quantitative Ansätze sinnvoll umsetzbar sind und wo gegebenenfalls auch ein qualitativer Ansatz oder eine Mischung ausreichend ist. Auch in der Szenarioanalyse bieten sich Wahlrechte und eine Reduktion der Komplexität an. Außerdem gab es für die betroffenen, kleineren Institute eine Übergangsperiode bis zum 01.01.2024.
MaRisk-Novelle vs. EZB-Guide
Innerhalb des Vortrags wurde hervorgehoben, dass die MaRisk-Novelle zwar weniger detailliert und kürzer als der EZB-Guide ist, dass die Erwartungshaltung und die Anforderungen an die ESG-Risiken in der MaRisk jedoch denen im EZB-Leitfaden entsprechen und darüber hinaus den Proportionalitätsgedanken beinhalten.
Eine Abweichung zwischen den beiden liegt in der Betrachtung aller ESG-Risiken in der MaRisk, wohingegen der Fokus im EZB-Guide auf Klima- und Umweltrisiken lag, was auch dem gegenwärtigen Aufsichtsfokus entspricht, sich in Zukunft aber vermutlich noch ändern wird. Die MaRisk ist in der Hinsicht schon einen Schritt weiter im Vergleich zum ESG-Guide.
Stellungnahmen aus den eingereichten Fragen
Mithilfe der im Anschluss beantworteten Fragen des Publikums wurden zuvor präsentierte Punkte nochmals konkretisiert und die Erwartungshaltung sowie Schwerpunktsetzung der Aufsicht in Bezug auf die Berichterstattung von ESG-Risiken erläutert.
Hierbei wird erneut die zunehmende Bedeutung und die daraus resultierende Forderung nach einer ausgeweiteten, institutsindividuellen Auseinandersetzung mit den Auswirkungen von ESG-Risiken auf die Strategie, das Geschäftsmodell und das Risikomanagement herausgestellt. Damit soll insbesondere vermieden werden, dass Regulierungslücken genutzt werden und zu einer vollständigen Vernachlässigung oder zu späten Betrachtung von ESG-Faktoren führen.
Gleichzeitig ist sich die Aufsicht bewusst, dass das Thema ESG völlig neue Herausforderungen mit sich bringt, wozu unter anderem wesentlich längere Betrachtungszeiträume als auch fehlende Risikomessmethoden zählen. Für diese fehlen zudem oftmals aussagekräftige Daten über einen längeren Zeithorizont, was unweigerlich die Quantifizierung von ESG-Risiken erschwert, aber eigentlich als Ziel angestrebt werden sollte. Auch hier wird der Grundsatz der Proportionalität verfolgt, was bedeutet, dass vorhandene Daten genutzt und unzureichende oder fehlende Daten durch qualitative Informationen kompensiert werden sollen.
Des Weiteren wird bei der Durchsicht regulatorischer Anforderungen deutlich, dass der Schwerpunkt der Aufsicht aktuell auf Umwelt- und insbesondere Klimarisiken liegt. Gründe hierfür sind unter anderem die Möglichkeit der Quantifizierung, fortschrittlichere wissenschaftliche Arbeiten über deren Auswirkungen sowie politische Zielsetzungen, beispielsweise im Rahmen des Pariser Klimaabkommens und des European Grean Deals. Dennoch decken die CRD VI sowie die MaRisk ebenfalls soziale und unternehmensführungsbezogene Faktoren ab, welche sich vorerst eher mit qualitativen als mit quantitativen Ansätzen bewerten lassen. Auch in diesem Zusammenhang wird eine zunehmende Konkretisierung zu erwarten sein.
Zusammenfassend wurde im Rahmen des Aufsichtsbriefings deutlich, dass die Aufsicht vorerst keine finalisierte Integration und Ausarbeitung von ESG-Risiken erwartet, da es sich hierbei um einen fortlaufenden Prozess handelt. Dennoch wird die Wichtigkeit betont, dass sich Institute mit ESG-Faktoren und deren Auswirkungen sowie Spezifika frühestmöglich, insbesondere aufgrund der zu erwartenden steigenden Regulierungsanforderungen, auseinandersetzen sollten.